Welt

Warum es den Ärmsten gelingt, so glücklich zu sein

BATU PUTEH. BORNEO.

Schon oft habe ich mich gefragt, warum ich auf den Straßen der ärmsten Länder der Welt so viele glückliche Gesichter sehe und bei uns der nach unten hängende Mundwinkel vorherrschend ist? Auf diese Frage mag es viele Antworten geben. Um zwei der für mich wichtigsten soll es in diesem Artikel gehen.

1. Es sind die schönen Erlebnisse im Leben und die Erinnerungen daran, die uns glücklich machen

Ich bin schon in den unterschiedlichsten Ländern der Welt unterwegs gewesen. Dabei möchte ich bei jeder Reise in ein neues Land weit mehr sein, als ein einfacher Tourist, der sich das Land ansieht. Ich will in die Geschichten der Menschen, in ihre Gewohnheiten und Traditionen eintauchen. Ich möchte erfahren, wovon sie gerade träumen, wie sie leben und was sie glücklich macht. Dabei begegnen mir oft die ärmsten Menschen als die glücklichsten.

Ich war z.B. für ein Projekt knapp ein halbes Jahr in Borneo. Ich war eine der insgesamt vier internationalen Studenten, die den Einheimischen in Borneo bei ihren Öko-Projekten ein wenig zur Seite stehen durften.

Diese Menschen hatten nichts außer der gemeinsamen Vision, den Regenwald und seine Bewohner vor einer Palmöl-Plantage zu schützen. Dieses Vorhaben verbindet sie. Alle beteiligen sich an dieser Mission und leisten ihren Beitrag, so gut sie konnten.

Sowie Junaidah, eine verwitwete Dame im Alter von 76 Jahren. Sie lebte in einer kleinen Hütte, in der provisorisch ein kleiner Matratzenraum für mich abgehängt wurde. Die ganze Hütte war nicht größer als unser Badezimmer in Österreich, hatte aber alles, was Junaidah und ich brauchten. Eine Kochnische, ein Sofa für unsere abendlichen „Gespräche“, eine Matratze für sie und eine Tür zum Badezimmer ins Freie, das genau genommen nur eine Regentonne und ein leerer Eimer war. Es war eine große Ehre für mich, drei Monate bei ihr zu leben. Ich habe so viele wertvolle und liebevolle Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit. Sie sprach kein Wort Englisch und ich kaum ein Wort Malaiisch. Aber wir kamen zurecht. Das Lächeln verband uns.

Jeden Abend setzen wir uns auf ihr Sofa. Sie zeigte mir das Foto ihres vor wenigen Wochen verstorbenen Mannes und streichelte es – jeden Abend. Dabei spürte ich ihre innige und dankbare Verbundenheit und Liebe zu ihrem Mann. All ihre Erinnerungen kamen wieder, wenn sie sein Bild ansah.

Bestimmt war sie traurig, dass er nicht mehr da war. Aber dieses unfassbare Strahlen in ihren Augen, wenn sie sein Foto ansah, wird für mich unvergessen bleiben. Sie erinnerte sich an all die schönen Dinge, die sie mit ihm erleben durfte. Das erfüllte sie mit großem Glück und Dankbarkeit.

2. Geben ist seliger, als nehmen

Ich half ihr mit der Wäsche, dem Sammeln der Beeren und Farne aus den Wäldern und beim Sauber machen der kleinen Hütte. Sie hatte nichts, aber sie wollte, dass es mir gut geht. Sie kochte jeden Tag für uns. Das hat sie sich nicht nehmen lassen. Oft zauberte sie aus dem „nichts“ ein gutes Abendessen. Es hat sie glücklich gemacht, dass es mir gut geht, dass mir das Essen schmeckte und dass ich die gemeinsamen Abende mit ihr sehr genossen habe. Auch wenn ich mal spät nachhause gekommen bin, hat sie auf mich gewartet. Sie ging nie zu Bett ohne sich zu vergewissern, dass ich heil aus dem Wald zurück gekommen bin. Sie reichte mir ein Glas Wasser und zeigte mir das Bild ihres Mannes. Jeden Abend.

Dabei wusste sie, dass mir das gechlorte Wasser nicht besonders schmeckte, aber bei der hohen Luftfeuchtigkeit und der harten Arbeit im Regenwald musste ich viel trinken, um meinen Kreislauf in Schach zu halten.

Als ob ihre Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft nicht ausreichen würde, kam ich eines gewöhnlichen Abends nachhause und sah eine Dose Cola. Sie war für mich gedacht.

Nach Wochen im Urwald mit gechlortem Wasser stand eine gekühlte, prickelnde Cola Dose vor mir. Ganz ehrlich, ich weiß nicht, wann ich in meinem Leben gerührter war, als in diesem Augenblick. Ich hatte keine Ahnung, woher sie das Geld dafür aufgetrieben hat, aber sie wollte mir eine Freude machen. Dabei weiß ich nicht, wer in diesem Moment gerade glücklicher war. Sie oder ich.

Es war ein ganz besonderer Abend für mich. Ein sehr wertvoller. Denn als ob Junaidah es geahnt hätte, war es ihr letzter Abend hier auf Erden. Es war ihre letzte Gelegenheit, jemanden eine Freude zu machen. Und dieser jemand war ich. In der folgenden Nacht ist sie gestorben. Ich habe sie am Morgen tot auf ihrer Matratze gefunden. Mit einem Lächeln im Gesicht und mit dem Bild von ihrem Mann in der rechten Hand. Unvergessen.

Hast Du heute auch schon jemanden glücklich gemacht?
Oft reicht eine Kleinigkeit aus und erfüllt auch dein Herz.

Genießen wir den Zauber des Lebens.
Alles Liebe, Berny