Welt

Manchmal darf man sich auch tragen lassen

WÜSTE THAR. INDIEN.

Nach wochenlangen, bunten und lauten indischen Abenteuern habe ich mich auf die Einsamkeit in der Wüste Thar gefreut. Aber wie so oft kommt es anders, als man denkt. Am Rand der Wüste angekommen, leuchten mir über zwanzig unterschiedliche Touristencamps entgegen. Allesamt waren sie überfüllt von Touristen, wie ich es auch einer war. Musik tönt aus den Boxen, es riecht nach Curry und gegrilltem Lamm. Die Autos wirbeln den Sand der Straße auf und hüllen die Touristen-Dörfer in eine feine Staubwolke. So viele Menschen sind an diesen lauten Ort gereist. Aber eigentlich sehnen sie sich alle nach der Stille der Wüste.

Mir war schnell klar, dass ich Unterstützung brauche, wenn ich diesem Wahnsinn entkommen möchte. Ich muss mich weit von den Menschenmassen entfernen, wenn ich die Einsamkeit unter dem klaren, indischen Sternenhimmel erleben will.

Wenn Du schnell gehen willst, geh allein. Wenn Du weit gehen willst, geh mit anderen.

Zufällig treffe ich einen Kameltreiber mit zwei Kamelen, der bereit war, mich in die Tiefen der Wüste zu führen. Er war ortskundig und seine Kamele gut trainiert. Mit ihm an seiner Seite fühlte ich mich sicher genug, dieses Abenteuer zu bestreiten. Alleine hätte ich mich mit Sicherheit in den riesigen Sanddünen verirrt. Und ich wäre verdurstet und in der Nacht erfroren.

Im Leben ist es auch oft so. Alleine ist man meist völlig hilflos. Man verirrt sich in dem Dschungel an Problemen und schwarzen Löchern. Die Gefahr in ein tiefes Loch zu fallen ohne Leitern oder Stufen, die wieder nach oben führen, ist groß.

Wie soll man sich alleine auch zurechtfinden? Oft ist die Sicht auf die Dinge verschwommen. Es fehlen Alternativen oder andere Perspektiven und Sichtweiten. Es ist nahezu unmöglich, die wirklich großen Schwierigkeiten alleine zu überwinden. Vielleicht gelingt es dem ein oder anderen. Doch gemeinsam ist dieser Weg zurück in das aktive und schöne Leben in jedem Fall einfacher.

Meiner Meinung nach ist ein kleines, stabiles Netzwerk von Freunden und Familie unverzichtbar, um die wirklich großen „Steine“ aus seinem Lebensweg zu räumen.

So wie ich mich damals in der Wüste Thar von den Kamelen tragen ließ, kann sich jeder von seinen Familien und Freunden tragen lassen. Dabei ist es nicht immer einfach, Hilfe zuzulassen. Es ist ein langwieriger Prozess, der viel Mut erfordert. Doch du wirst sehen, wenn es dir gelingt, dir helfen zu lassen, werden dich die wichtigsten Menschen in deinem Leben gerne durch die schweren Zeiten tragen. Ein klein bisschen vielleicht. Aber das reicht. Und das „Schwarz“ wird zu einem „Dunkelgrau“.

Es ist ein Zeichen von großer Stärke, sich auch mal helfen zu lassen.

Es gibt so viele gute und manchmal natürlich auch weniger gute Tage in Leben. Gerade auch dann, wenn dich ein schwerer Schicksalsschlag trifft. Und gerade an den weniger guten Tagen, ist man froh über den engen Kreis an Menschen, die einen umgeben. Die wenigen, die wissen, dass sie eigentlich nichts sagen müssen, sondern einfach nur da sein und für Ruhe sorgen sollen. Man ist froh über all jene, die einen in Gedanken begleiten und positive Wünsche schicken. Und man ist dankbar über all die guten Freunde, die an schlechten Tagen da sind, aber die es auch kaum erwarten können, an besseren Tagen wieder gemeinsam Dinge unternehmen zu können.

In Indien war ich dankbar über die Kamele, die mich zu den bezaubernden und einsamen Plätzen in der Wüste gebracht haben. An Plätzen, an denen ich unter dem dichten Sternenhimmel liegend meinen Gedanken freien Raum lassen konnte. Wo Träume ohne Grenzen waren, Visionen plötzlich Gestalt annahmen und wo plötzlich wieder alles möglich schien.

Genießen wir den Zauber des Lebens.
Alles Liebe, Berny