Aufeinander aufpassen. Am Berg und im Leben.
TRIGLAV. SLOWENIEN.
Der Triglav ist mit seinen 2.864m der höchste Berg Sloweniens. Im Land großer Patrioten gilt man nur dann als echter Slowene, wenn man diesen Berg zumindest einmal in seinem Leben bezwungen hat. Aus diesem Grund machen sich bei Schönwetter tagtäglich dutzende Menschen auf den Weg zum Gipfel. Und wo sich viele Menschen auf engen Wegen bewegen, kann viel passieren.
Aber nicht nur für die Einheimischen übt der Berg eine große Faszination aus. Auch uns hat er in seinen Bann gezogen. Wir haben den Aufstieg frühmorgens über die einsamere Westroute begonnen. Die Wolken schieben sich durch das Tal in die Freiheit. Der Sonne in gegen. Und wir steigen bergauf. Begeistert von tollen Kletterpassagen und wunderschönen Panorama-Blicken bemerken wir gar nicht, wie Stunde um Stunde vergehen.
Der Aufstieg zum Gipfel ist ein echtes Highlight. Wir passieren steile Aufstiege, brüchiges Gestein, alte Schneefelder und einige Querpassagen. Zum ersten Mal erblicken wir dann den Grat des Normalweges. Wir entdecken Massen an Menschen, die sich mühevoll auf den Gipfel kämpfen. Am Gipfel selbst herrscht Kirtag-Stimmung. Volksmusik dringt aus mitgebrachten Lautsprechern. Ein engagierter Geschäftsmann verkauft gekühlte Bierdosen und andere Getränke. Die Menschen feiern sich und diesen Berg.
Doch am Gipfel zu stehen, ist erst der halbe Sieg. Gerade am Weg hinunter schwinden die Kräfte und die Massen an Menschen erschweren die Bedingungen in diesem brüchigen Gelände. In einem Gelände, das von Steinschlag geprägt ist. Wir achten auf uns und wir achten auch auf die anderen. Wir wollen niemanden verletzen, indem wir große Steine lostreten. Und wir wollen nicht, dass uns wer verletzt. Es ist ein gegenseitiges aufeinander Acht geben.
Und doch passiert es.
Ein einziger falscher Schritt hat einen großen Stein gelöst. Viele Menschen unter uns. Der Stein rollt. Er schlägt auf. Er bricht insgesamt vier Mal in unzählige Stücke. Jedes dieser Stücke ist groß genug, um andere Bergsteiger schwer zu verletzen. Das zerschmetternde Geräusch der Steine schallt durch den ganzen Kessel. Betroffene Augen überall. Alle haben Angst, von den rollenden Steine getroffen zu werden. Und alle sind ebenso erleichtert, als das Geräusch der tosenden Steine im Nichts verstummt. Niemand wurde getroffen. Niemand verletzt. Ein Glück.
Man braucht im Umgang mit Menschen kein Emphatie-Genie zu sein. Die Antwort auf „Wie würde ich mich dabei fühlen“ hilft bei fast allem.
Diese Situation am Berg hat mich an viele Situationen im Leben erinnert. Wenn man im brüchigen Gelände einen Stein lostritt, sieht man die Konsequenzen seiner Taten sofort. Das eigene Handeln hat Auswirkungen auf das Leben anderer. Es kann sie verletzen oder ihr Leben komplett beeinträchtigen. Am Berg ist uns das bewusst. Aber im Leben?
Wiese fällt es uns im Alltag so schwer zu begreifen, dass Taten und Worte unsere Mitmenschen genauso hart treffen können, wie die Steine, die wir in den Bergen lostreten. Es kann verletzen und das Leben andere erschweren. Alles, was man sagt oder tut kann Lawinen lostreten. Manchmal kleinere, kaum spürbare. Manchmal aber auch schwer verletzende. Lasst uns also besser aufeinander aufpassen. Am Berg und im Leben.
Das Mitgefühl mit allen Geschöpfen ist es, was Menschen erst wirklich zu Menschen macht.
Voltaire
Wählen wir unsere Worte und Taten bewusster und emphatischer. Versuchen wir das Leben anderer nicht zu erschweren, sondern zu verschönern. Versuchen wir jemand zu sein, in dessen Nähe sich andere Menschen geschätzt, geachtet und respektiert fühlen.
Es sind die kleinen Momente voller Magie, voller leuchtender Augen und dankbarer Blicke. Momente, die nicht nur das Herz des anderen erwärmen, sondern auch unser eigenes.
Genießen wir den Zauber des Lebens.
Alles Liebe, Berny